S-Bahn München - Einsatzgebiet der Baureihe 420/421

Zeittafel

Die Baureihe 420 und die Münchner S-Bahn

Es begann zwar mit dem Vorhaben eine Fernverbindung nach Augsburg zu schaffen, aber die erste Eisenbahn in München war dennoch eine Vorortbahn. Am 1.September 1839 reichte die Strecke nur bis zur vorläufigen Endstation in Lochhausen. Die weiteren Abschnitte bis zur Fertigstellung der ganzen Strecke liest sich zum größten Teil wie der Fahrplan der heutigen S8: Olching, Maisach, Nannhofen und Althegnenberg.

Nicht einmal 100 Jahre mussten nach jener Pionierzeit vergehen, da begann man in München viele Vorortstrecken zur Leistungssteigerung zu elektrifizieren. Wie sich noch zeigen sollte, waren diese Maßnahmen bereits eine Vorleistung für den späteren S-Bahn-Betrieb (z.B. die spätere S5 nach Herrsching wurde schon 1925 elektrifiziert). Der ET420 ist strenggenommen noch nicht einmal die erste S-Bahn-Baureihe im Münchener Vorortverkehr. Bereits Ende der vierziger Jahre siedelte ein der Berliner "Bauart 1938" entlehnter Triebzug ders Peenemünder Werksbahn (800 Volt Gleichstrom, aber aus dem Fahrdraht) in die Landeshauptstadt über. Dieser röhrte fortan mit unverwechselbarem Sound, wie man ihn sonst nur in Berlin vernehmen konnte einige Jahre durch das Isartal auf der gleichnamigen Lokalbahn.

Schon zu Beginn des 20.Jahrhunderts machte man sich in München Gedanken über einen einheitlichen und leistungsfähigen Vorortverkehr. 60 Jahre später wurde es mit der Planung und dem Bau der S-Bahn in München konkret. Der 1966 erhaltene Zuschlag zur Austragung der Olympischen Spiele 1972 beschleunigte das Vorhaben zusätzlich.
Nun war es an der Zeit, daß der "Olympiatriebzug" das Licht der Welt erblicken sollte. Seit dem 27.10.1965 war an seiner Verwirklichung gearbeitet worden. Mit dem Zeitpunkt als der allererste ET420 auf Münchens Gleise erschien, treten wir in die Chronik ein:



  1969  

11. Dezember 1969

Einheit 420 001 wird als erster Vorserientriebzug dem Betriebswerk München Hbf zugestellt. Die knapp dreijährige umfassende Testphase mit der Baureihe 420/421 beginnt. Die Produktion der Serienfahrzeuge läuft während der Probephase, bedingt durch den engen Zeitplan bis zu den Olympischen Spielen 1972, bereits auf Hochtouren.

  1970  
420 502-7

Zu Beginn des Jahres werden die drei Prototypen erstmals der breiten Öffentlichkeit vorgestellt:
420 001 in kieselgrau/orange, 420 002 in kieselgrau/blau und 420 003 in kieselgrau/karminrot. Es erfolgen erste Fahrten mit Publikum das durch Abstimmung ihre Lieblingsfarbe für die künftige S-Bahn wählen durfte. Die Mehrheit des überwiegend Münchener Publikums entschied sich für kieselgrau/blau, welches auch tatsächlich am besten zur Bayerischen Landeshauptstadt passt.

  1971  
420 502-7

19. Mai 1971

Auf dem künftigen S4-Streckenast nach Geltendorf ist erstmals ein ET420 als Nahverkehrszug im Fahrgastbetrieb unterwegs.

In der Folgezeit übernehmen bereits ausgelieferte Serienfahrzeuge vermehrt erste Verkehrsaufgaben im Münchener Vorortbahn-Netz als "gewöhnliche" Nahverkehrszüge. Bis zur offiziellen Inbetriebnahme der Münchener S-Bahn sind immer mehr ET420 im Vorlaufbetrieb auf den Vorortstrecken unterwegs.

23. Oktober 1971

Zur Mittagszeit erreicht ein Sonderzug aus Bonn als erster Personenzug den Bahnhof Olympiastadion (Oberwiesenfeld). Auf Einladung des Olympiakomitees brachte der von 110 187-2 gezogene "Olympia Express" geladene Gäste und Pressvertreter aus der Bundeshauptstadt zu die künftigen Spielstätten des Jahres 1972.

Im Rahmen der UIC-Tagung in München, werden auch die Vertreter der europäischen Eisenbahnen zu einer Jungfernfahrt mit einem 420er zum Olympiabahnhof eingeladen.

  1972  
420 502-7

1. Februar 1972

Das neue Betriebswerk in Steinhausen wird fertiggestellt. Die ET420 siedeln vom Bw München Hbf ins neue Heim um.

17. April 1972

Das Herzstück der Münchener S-Bahn, die Stammstrecke mit ihrem Tunnel unter der Innenstadt, wird im Probebetrieb befahren. Dieser Streckenabschnitt (Pasing - Ostbahnhof) war, wie auch die ET420, mit der damals hochmodernen Linienzugbeeinflussung (LZB) ausgestattet.

28. April 1972

Eröffnung der Münchener S-Bahn. Der Stammstreckentunnel wird für den Publikumsverkehr eröffnet. Die ET420 pendeln quasi im Inselbetrieb zwischen Ostbahnhof und Hauptbahnhof, drei Tage später sogar bis zur Hackerbrücke. Andere 420er sind getrennt von diesem Betrieb immer noch mit anderen Vorortzügen auf den Aussenstrecken unterwegs.

28. Mai 1972

Die Baureihe 420 übernimmt auf sechs Linien die Aufgaben als S-Bahn in der Landeshauptstadt. Der Ausbauzustand vieler Aussenstrecken und die noch nicht vollständige Auslieferung aller Fahrzeuge bedingt nur im stadtnahen Bereich einen 20 Minuten-Takt, weiter ausserhalb jedoch meist einen Takt von 40 Minuten.

Das S-Bahn-Netz mit ET420-Betrieb sah folgendermaßen aus:

S1 Freising -Hohenbrunn
S2 Petershausen - Deisenhofen
S3 Maisach - Ostbahnhof
S4 Geltendorf - Ebersberg
S5 Herrsching - Ostbahnhof
S6 Tutzing - Erding

Weitere Strecken bekamen zwar den Status einer S-Bahn-Linie, jedoch brachte das diesen Relationen kaum Qualitätsverbesserungen.

Gleichzeitig wird am Eröffnungstag der Münchener Verkehrsverbund (MVV) ins Leben gerufen, so ist vom ersten Tag an die S-Bahn auch in Hinblick der Tarife vollständig in den Münchener Nahverkehr integriert.

26. August 1972 - 11. September 1972

München muß während der XX. Olympischen Sommerspiele ein stark erhöhtes Verkehrsaufkommen bewältigen. Das S-Bahn-Netz wird während der Spiele auf die veränderten Verkehrsströme ausgerichtet. Die Baureihe 420 trägt dabei die Hauptlast des Zubringerverkehrs zum Olympiabahnhof, sie bringt das internationale Publikum aber auch zu weiteren Spielstätten nach Riem und Oberschleißheim. Lokbespannte Wendezüge und die U-Bahn fangen den Ansturm zum Olympiapark im Oberwiesenfeld zusätzlich auf.

1. Oktober 1972

Die erste Klasse wird aus Kapazitätsgründen für alle Reisenden freigegeben. Die Münchner S-Bahn erlebt einen weit höheren Zuspruch durch die Bevölkerung als Anfangs von den Planern erwartet.

  1973  

1. Februar 1973

Weniger aufgrund gesundheitspolitischer Gründe, sondern mehr aus Gründen einer bessern Kapazitätsauslastung und Fahrgastverteilung werden die Raucherabteile in den 420ern der Münchner S-Bahn abgeschafft.

30. September 1973

Mit der fortlaufenden Auslieferung von neuen ET420-Einheiten, kann das S-Bahn-Netz erweitert werden. So erreichten mit diesem Tag die ET420 als S3 Ismaning im Nordosten von München. Die S1 konnte von Hohenbrunn bis Kreuzstraße verlängert werden, der ET420 verdrängt dabei die Uerdinger Schienenbusse vollständig von dieser Strecke. Auf dem schwach ausgelasteten Streckenabschnitt von Höhenkirchen-Siegertsbrunn bis Kreustraße können nur Kurzzüge eingesetzt werden.

1. Dezember 1973

Die Baureihe 420/421 offenbart eine bis dahin unerkannt gebliebene Schwachstelle. Aufgrund hohen Flugschneeaufkommens und einhergehenden Minusgraden vereisen bei den meisten ET420 die Türen. Die Störungen nehmen binnen kurzer Zeit solche Ausmaße an, das nahezu der gesamte S-Bahn-Betrieb zusammenbricht. Durch den hohen Schadwagenbestand werden auf einigen S-Bahnstrecken die ET420 vollständig abgezogen und durch lokbespannte Nahverkehrszüge ersetzt.

Dieser Vorfall hatte einige technischen und baulichen Änderungen an den Triebzügen zur Folge. So wurden an den Einstiegen z.B. Trittroste statt Trittbleche installiert. Die Trittroste halten Nässe und vor allem Schnee während des Fahrgastwechsels von den Taschenschiebetüren wirksamer fern.

  1974  

7. Juli 1974, 16.00 Uhr

Anpfiff zum Finale der Fußball Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Zuvor brachten die weiß-blauen Triebzüge einen großen Teil der erwartungsvollen Fußball-Fans zum Olympiabahnhof, nahe dem Zeltdach des Olympiastadions. Vor 77.833 Zuschauer gewinnt die Deutsche Nationalmannschaft eines Beckenbauer, Müller und Breitner gegen die Niederlande 2:1. Die ET420 bringen als S11 sowohl jubelnde deutsche wie auch deprimierte niederländische Schlachtenbummler zurück in die Innenstadt.

Einen Tag zuvor brachten die Züge der S11 die Zuschauer der Begegnung um Platz 3 , Polen gegen Brasilien, zum Olympiapark im Oberwiesenfeld. Und nach dem Abpfiff mit dem Endstand 1:0 für Polen, natürlich auch wieder zurück in die Innenstadt.

  1975  

1. Juni 1975

Durch die Auslieferung weiterer fabrikneuer ET420 nach München erhöht sich der Fahrzeugbestand auf 140 Einheiten. Damit konnten Taktverdichtungen und die Verlängerung der S2 von Deisenhofen nach Holzkirchen verwirklicht werden.

  1976  

10. Oktober 1976

Eröffnung des S-Bahn-Betriebs auf eigener zweigleisiger Trasse zwischen Lochhausen und Olching (S3). Mit dem viergleisigen Ausbau konnte auf diesem bislang nur zweigleisigen Streckenabschnitt der Fern- und Güterverkehr, vom S-Bahn-Verkehr entflechtet werden. Die freigewordenen Kapazitäten konnten auf Seite des S-Bahn-Verkehrs mit einem verdichteten Takt von 20 Minuten genutzt werden (ab 18.12.1976). Der schnelle Fernverkehr wird seinerseits nicht mehr durch die S-Bahn ausgebremst. Zugleich ermöglichen die vier Gleise bei evtl. Störungen mehr Ausweichmöglichkeiten

  1977  

17. Dezember 1977

420 047 in MNPS

Der soziale Wohnungsbau der siebziger Jahre lässt auch in und um München neue Satellitenstädte auf der grünen Wiese entstehen. Mit den Stationen Unterschleißheim und Neuperlach Süd werden neue Wohngebiete ab diesen Tag verkehrstechnisch durch die S1 erschlossen. Eine Besonderheit bildet dabei die Station Neuperlach Süd, die als Umsteigebahnhof zur U-Bahn konzipiert wurde. Sogar das Umsteigen am gleichen Bahnsteig zwischen S- und U-Bahn ist möglich.

Ab 1977 werden die Informationssysteme im Münchener Nahverkehr durch gemeinsame Maßnahmen der Stadt München und der Bundesbahn optimiert. So zeigen sowohl U- wie auch S-Bahn-Züge gleichzeitig mit der Liniennummer auch eine entsprechende Kennfarbe. Einheitliche Wagenstandsanzeigen sollen für eine bessere Fahrgastverteilung auf den Bahnsteigen und Zügen sorgen.

  1978  

Abschaffung von Zugbegleitern bei Kurzzügen. Da kann noch mehr Text rein, oder nicht? Doch schon irgendwie.

  1979  

27. Mai 1979

Mit dem Fahrplanwechsel 78/79 stehen der Münchener S-Bahn 148 Einheiten der Baureihe 420/421 zur Verfügung.

2. November 1979

Zwischen Trudering und Haar geht eine eigene zweigleisige S-Bahn-Trasse parallel zur Fernbahn München - Rosenheim in Betrieb. Größte Baumaßnahme war das Kreuzungsbauwerk zwischen Trudering und Gronsdorf, welches ein kreuzungsfreies Einfädeln der Güterbahn in die Fernbahn unter den S-Bahn-Gleisen hinweg ermöglicht.

Den S-Bahn-Fahrgästen war von da an bis zum 16.Mai 1992 auf genau diesem Streckenabschnitt ein exklusiver, erhöhter Blick auf das gesamte Flugfeld des Flughafens München-Riem möglich geworden. Auch den Fluggästen winkten regelmäßig die weiß-blauen Züge als Markenzeichen der Isarmetrople von dem hohen Bahndamm Truderings herüber (bei Föhn übrigens noch mit Alpenkulisse dahinter!).
Mindestens genauso interessiert wurde von den Fahrgästen der neue 20 Minuten Takt bis Haar wahrgenommen.

Stand: 2003

Literaturverweis:
Pospischil, Reinhard: S-Bahn München (Alba, 1997)
Janikowski, Andreas: Deutschlands S-Bahnen (Transpress, 1994)